Heldenpoesie und Wirklichkeit

Fast alle Deutschen hatten im Ersten Weltkrieg verwundete oder gefallene Männer im Familien- und Freundeskreis zu beklagen. Tod und Trauer, Hunger und seelischer Schmerz  waren jahrelang die hartnäckigen Lebensbegleiter in den Familien. Wir fragen uns: Müssen die Menschen damals nicht irgendwann die Sinnlosigkeit des Krieges erkannt haben?

Vielleicht ist das ein Grund, warum wir heute nach 100 Jahren uns so intensiv mit diesem Krieg beschäftigen: Wir sind ratlos und können es nicht begreifen, wie die Menschen das alles ertragen und hingenommen haben.

Noch ratloser sind wir und schütteln den Kopf, wenn wir heute die Postkarten betrachten, auf denen das Sterben der Soldaten im Fotoatelier nachgestellt wurde und mit melodramatischen Versen unterlegt wurde – der Tod als heroisches Opfer vor einer Leinwandkulisse.tp_0001Sechs Fotos erzählen mit dem Titel „Die Sonne sank im Westen“ die Geschichte vom sterbenden Soldaten und seinem Kameraden, der ihm treu zur Seite steht.

Die Sonne sank im Westen
Mit ihr schien aus die Schlacht.
Es senket  ihre Schleier
die tiefe dunkle Nacht.
   
Und zwischen vielen Toten
Lag sterbend ein Soldat,
Es kniet an seiner Seite,
Sein treuer Kamerad.
 

Die Verse dazu entstanden übrigens schon 1870/71. Deswegen geht es auch im fünften Bild um die Schlacht von Sedan.

Der ‚Tod fürs Vaterland’ war keine Erfindung von 1914.  Seit 1870/71 hatte das Militär ein hohes Prestige gewonnen. Soldatische Männlichkeit wurde gerne öffentlich zur Schau gestellt. Militärische Konflikte und Kriegsdienst wurden als Notwendigkeit akzeptiert. (Erster Weltkrieg, Kulturwissenschaftliches Handbuch, hrsg. von Niels Werber, Stefan Kaufmann und Lars Koch)

Die folgende Postkarte greift auf vergangene Kriegsbilder zurück, um den Tod zu verklären. Sedan lässt grüßen, wenn das Pferd und der Säbel neben dem sterbenden Krieger liegen. Panzer, Schützengraben und Maschinengewehr passen wohl nicht zum Text auf der Rückseite.tp_0007

Mein Blut färbt rot den kühlen Sand,
Die Kugel hat getroffen.
Ich sterbe für mein Vaterland,
Doch Ihr sollt hoffen, hoffen!

M.A. Vallas

Aber Heldenpoesie gab es schließlich auch in Wirklichkeit. Auf den Friedhöfen versuchte man mit Gedichtszeilen das Unfassbare festzuhalten.tp_0008

Es kennt die Namen nur Gott der Herr – das mag für die vielen Massengräber und Heldenfriedhöfe gelten. http://www.denkmalprojekt.org/inschriften.htm Natürlich gab es auch bis zum Kriegsende Einzelgräber mit Namen und Todesdatum. Dem Landsturmmann Anton Frotzheim wird auch der Heldentod bescheinigt.

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Den Heldentod für’s Vaterland starb der Landsturmmann Ant. Froitzheim, geb. 27.4.1881 in Cöln Radertal, gefallen am 20.6.1918.
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