In den Krieg gegen Deutschland zu ziehen, war für Guillaume Apollinaire mehr als eine patriotische Pflicht. Man könnte sagen, es war die Gelegenheit, auf die er immer gewartet hatte, um Frankreich seine Liebe zu beweisen. Gleich nach Beginn des Ersten Weltkrieges meldete er sich als Freiwilliger, aber er wurde abgewiesen, weil er nicht die französische Staatsangehörigkeit besaß. Dieses Scheitern muss für ihn ähnlich schmerzhaft gewesen sein wie bei früheren Gelegenheiten die Zurückweisung durch seine Geliebten, Annie Playden, Marie Laurencin und wie sie alle hießen. In La Colombe Poignardée et le Jet d’Eau zählt er sie auf. Er fühlte sich ungeliebt. Einer seiner berühmtesten Gedichtzyklen trägt deshalb den Titel La Chanson du Mal-Aimé.
Ein Beitrag von Volker Neumann
In Rom geboren als unehelicher Sohn eines italienischen Vaters, der sich aus dem Staub gemacht, und einer polnischen Mutter, die ihn zusammen mit seinem jüngeren Bruder, auf der Flucht wegen unbezahlter Rechnungen oder auf der Suche nach einem neuen Liebhaber, durch Europas Metropolen geschleppt hatte, war der neunzehnjährige Guillaume schließlich in Paris hängen geblieben. Über die Jahre hatte er sich hier einen Ruf als Dichter erworben und einen großen Freundeskreis mit Künstlern wie Picasso, Braques, Max Jacob u.a. aufgebaut. Aber es war die Bohème, in der er sich etabliert hatte. Was er sich insgeheim ersehnte, war eine richtige Heimat, sozusagen eine bürgerliche Parallelwelt: ein Frankreich, das sich zu ihm bekannte, und eine Familie mit Frau und Kind. Auch wenn er die Verlobung mit Madeleine Pagès, einer treuen Seele, von sich aus wieder löste.
Natürlich ist es wieder die Zurückweisung durch eine Frau, Louise de Coligny-Châtillon, die ihn dazu bewegt, sich im Dezember 1914 erneut bei der Armee zu bewerben. Inzwischen sind zahlreiche junge Männer ihrer Kriegsbegeisterung zum Opfer gefallen. Die Armee braucht Nachschub, und Apollinaire darf nun dabei sein, zunächst bei der Artillerie. Er ist ehrgeizig. Schon im August 1915 wird er zum Unteroffizier der Kavallerie befördert. Drei Monate später, im November, lässt er sich auf eigenen Wunsch zur Infanterie versetzen, als Oberfähnrich. Möglichst nah an die Front! Und bei all dem Getümmel, ob im Biwak oder im Schützengraben, schreibt er unentwegt Gedichte. Kurz vor Ende des Krieges wird er sie unter dem Titel Calligrammes noch veröffentlichen. Wenn man sie liest, hat man gelegentlich den Eindruck, dass er den Krieg wie im Rausch erlebt hat. Er beschreibt ihn oft wie ein Silvesterfeuerwerk, so in Merveilles de la Guerre. Am 17. März 1916 gegen 16 Uhr, er liegt in einem Graben in der Nähe von Berry-au-Bac bei Reims, schlagen mehrere Granatsplitter durch seinen Helm und treffen seine rechte Schläfe.
Er wird zur nächsten Ambulanz gebracht, wo man ihm den Schädel öffnet und die Splitter entfernt. Fortan sieht man ihn auf Fotos mit einem Kopfverband, lächelnd, obwohl er unter der Verletzung leidet.
Der Kampf auf dem Gefechtsfeld ist damit für ihn beendet, nicht aber der Kampf mit der Feder. Im Wettlauf mit dem Tod läuft seine literarische Produktion auf Hochtouren. Ein zentrales Thema in den Gedichten ist jetzt seine Verwundung, die er als étoile de sang bezeichnet, als blutigen Stern, aus dem er, wie Jupiter, eine Minerva gebiert (Tristesse d’une Etoile). In La Colombe poignardée wird sie gar zu einem laurier rose. Das ist nicht nur der Lorbeerkranz des Dichters, sondern zugleich eine blutdurchtränkte Märtyrerkrone. Die euphorische Kriegsbegeisterung ist inzwischen einer alles durchdringenden Melancholie gewichen.
Anfang November 1918 erkrankt Apollinaire an der Spanischen Grippe, der er, noch immer sehr geschwächt durch seine Verwundung, am 9. November erliegt. An seinem Todestag, zwei Tage vor dem Ende des Ersten Weltkriegs, skandieren die Massen auf der Straße: „A bas Guillaume!“ Sie meinen aber nicht Guillaume Apollinaire, sondern Wilhelm II.
Merveille de la guerre Que c’est beau ces fusées qui illuminent la nuitElles montent sur leur propre cime et se penchent pour regarder
Ce sont des dames qui dansent avec leurs regards pour yeux bras et cœurs J’ai reconnu ton sourire et ta vivacité C’est aussi l’apothéose quotidienne de toutes mes Bérénices dont les chevelures sont devenues des comètes
Ces danseuses surdorées appartiennent à tous les temps et à toutes les races
Elles accouchent brusquement d’enfants qui n’ont que le temps de mourir Comme c’est beau toutes ces fusées
Mais ce serait bien plus beau s’il y en avait plus encore
S’il y en avait des millions qui auraient un sens complet et relatif comme les lettres d’un livre
Pourtant c’est aussi beau que si la vie même sortait des mourants Mais ce serait plus beau encore s’il y en avait plus encore
Cependant je les regarde comme une beauté qui s’offre et s’évanouit aussitôt
Il me semble assister à un grand festin éclairé a giorno
C’est un banquet que s’offre la terre
Elle a faim et ouvre de longues bouches pâles
La terre a faim et voici son festin de Balthasar cannibale
Qui aurait dit qu’on pût être à ce point anthropophage
Et qu’il fallût tant de feu pour rôtir le corps humain
C’est pourquoi l’air a un petit goût empyreumatique qui n’est ma foi pas désagréable
Mais le festin serait plus beau encore si le ciel y mangeait avec laterre
Il n’avale que les âmes
Ce qui est une façon de ne pas se nourrir
Et se contente de jongler avec des feux versicolores Mais j’ai coulé dans la douceur de cette guerre avec toute ma compagnie au long des longs boyaux
Quelques cris de flamme annoncent sans cesse ma présence
J’ai creusé le lit où je coule en me ramifiant en mille petits fleuves qui vont partout
Je suis dans la tranchée de première ligne et cependant je suis partout ou plutôt je commence à être partout
C’est moi qui commence cette chose des siècles à venir
Ce sera plus long à réaliser que non la fable d’Icare volant Je lègue à l’avenir l’histoire de Guillaume Apollinaire
Qui fut à la guerre et sut être partout
Dans les villes heureuses de l’arrière
Dans tout le reste de l’univers
Dans ceux qui meurent en piétinant dans le barbelé
Dans les femmes dans les canons dans les chevaux
Au zénith au nadir aux 4 points cardinaux
Et dans l’unique ardeur de cette veillée d’armes Et ce serait sans doute bien plus beau
Si je pouvais supposer que toutes ces choses dans lesquelles je suis partout
Pouvaient m’occuper aussi
Mais dans ce sens il n’y a rien de fait
Car si je suis partout à cette heure il n’y a cependant que moi qui suis en moi Wunder des Krieges Wie schön diese Raketen die den Himmel erleuchten Sie steigen auf bis zu höchsten Punkt und neigen sich um zu betrachten Es sind tanzende Damen mit ihren Blicken für Augen Arme und Herzen Ich habe dein Lächeln und deine Lebhaftigkeit erkannt Es ist auch die tägliche Apotheose aller meiner Bérénices deren Haare zu Kometen geworden sind Diese vergoldeten Tänzerinnen gehören zu allen Zeiten und allen Rassen Sie gebären plötzlich Kinder die nur noch die Zeit haben zu sterben Wie schön all diese Raketen Aber es wäre viel schöner wenn es noch mehr davon gäbe Wenn es Millionen wären die zusammen einen Sinn ergäben wie die Buchstaben eines Buches Trotzdem ist es so schön wie wenn das Leben selbst von den Sterbenden aufstiege Aber es wäre noch schöner wenn es noch mehr davon gäbe Wie auch immer ich betrachte sie als eine Schönheit die sich anbietet und gleich wieder verschwindet Mir scheint ich sehe eine großes Festmahl bei flackerndem Licht Ein Bankett das sich die Erde selbst bereitet Sie hat Hunger und reißt breite bleiche Münder auf Die Erde hat Hunger und dies ist das Festmahl Balthasars des Menschenfressers Der gesagt haben soll man könne dermaßen kannibalisch sein Und man brauche so viel Feuer um den menschlichen Körper zu braten Deshalb hat die Luft einen empyreumatischen Geruch der alles andere als unangenehm ist Aber das Festmahl wäre noch schöner wenn der Himmel mit der Erde zusammen essen würde Er schluckt nur die Seelen Was eine Art ist sich nicht zu ernähren Und beschränkt sich darauf mit den verschiedenen Feuerfarben zu jonglieren Aber ich bin in der Lieblichkeit dieses Krieges mit meiner gesamten Kompanie in die langen Gräben geflossen Gelegentliche Flammenschreie künden von meiner ständigen Präsenz Ich habe mir ein Bett ausgehoben in das ich fließe indem ich mich in tausend kleine Flüsse überallhin verzweige Ich liege im Schützengraben an vorderster Front und andererseits bin ich überall oder ich fange an überall zu sein Ich bin es der diese Sache der künftigen Jahrhunderte anfängt Sie wird sich noch länger auswirken als die Sage vom fliegenden Ikarus Der Zukunft hinterlasse ich die Geschichte von Guillaume Apollinaire Der in den Krieg zog und es schaffte überall gegenwärtig zu sein In den glücklichen Dörfern des Hinterlands Im gesamten Rest des Universums In denen die im Stacheldraht strampelnd sterben In den Frauen in den Kanonen in den Pferden Im Zenith im Nadir in den 4 Himmelsrichtungen Und im einzigartigen Feuer am Vorabend des großen Waffengangs
Deutsch: Volker Neumann