Ein bisschen Spaß muss sein…

fachmann_0001Ein bisschen Spaß muss sein. Dann ist die Welt voll Sonnenschein. Dieses Lebensmotto kennen wir von Roberto Blanco. Vielleicht handelten auch die Produzenten der sogenannten Humorpostkarten zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahre 1914 danach. Während an allen Fronten hundertausende Soldaten getötet wurden, gab es gleichzeitig Postkarten, die den Krieg von seiner spaßigen Seite sehen wollten.

Eine ganz infame Idee hatte dabei der Verlag Gerhard Stalling. Spätestens 1916, als der Krieg schon lange kein Kinderspiel mehr war, entstand die Postkartenserie „Immer Fachmann“, Militärische Fachausdrücke im Spiegel des Humors. Heute sind wir ratlos, wie man solche Postkarten mitten in einem menschenverachtenden Stellungskrieg für Humor halten konnte. Oder konnte auch der gemeine Soldat darüber lachen? Die Idee war ebenso schlicht wie genial. Krieg und Erotik wurden bildtechnisch und sprachlich miteinander verbunden. Militärische Begriffe wurden zu Bildunterschriften für erotische Szenen.

fachmann 3_0002Der Blindgänger war z.B. ein Mann, der bei den Frauen nicht ankam. Und die Attacke galt nicht dem Feind an der Front, sondern der blonden Schönheit, die sich erwartungsfroh den Angriffen eines feurigen Soldaten entgegenstreckt.

fachmann 3_0001 Über zwanzig solcher Begriffe wurden frech für Techtelmechtel- oder andere Geschlechterkämpfe (!) umgesetzt. Der Verlag Gerhard Stalling war da sehr kreativ. Die Offensive, Der Deckungsgraben, Der Volltreffer, Der Parademarsch, Spionageabwehr, Das Trommelfeuer, Das Drahthindernis, Der Blindgänger, Die Attacke, Der Horchposten, Der Überfall, Die Belagerung, Die Abwehrkanone, Der Zünder, Das Sperrfeuer, Der Unterstand, Die Schleichpatrouille, Der Winker, Der Störungstrupp, Das Schützenfeuer, Achtung, Augen rechts!, Im Kielwasser

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Es gab aber auch militärische Begriffe, an die man sich nicht heranwagte – aus verständlichen Gründen. Bajonett, Bombe oder Maschinengewehr waren dann doch ein zu schweres Kaliber (!), ebenso die Begriffe Bunker, Front, Geschütz, Geschoss, Graben, Haubitze, Kanone, Kartäsche, Landsturm, Mörser, Panzer und Schrapnell.

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Aber nicht nur die eher unbekannten Künstler solcher Postkarten gaben sich für diese zweifelhafte Art von Humor her. Auch Heinrich Zille geriet schnell in das Fahrwasser solcher Art von Kunst. Als am 1. August 1914 der erste Weltkrieg begann, war Heinrich Zille 56 Jahre alt. Zille war erfolgreich, beliebt und anerkannt bei breiten Volksschichten, weil er das Elend und Unglück der armen Leute in seinen Zeichnungen so treffend ausdrücken konnte. Nun aber war Krieg, und Zille schwamm mitten im Strom des Berliner Hurrapatriotismus. In einer Bildbiografie, die 1978 in der DDR erschienen ist, gelingt es nur mühsam, diesen gar nicht so sozialkritischen Zille zu verstehen und zu beschreiben. Hören wir uns das einmal im Originalton der DDR an:

Von Nationalismus, chauvinistischen Phrasen und Lügen geblendet, begrüßte ein großer Teil des Volkes 1914 den vom deutschen Imperialismus entfesselten Krieg. Viele hatte eine Art Kriegsrausch erfaßt, nicht wenige meldeten sich in diesem Taumel freiwillig zu den Waffen, und – benommen von der imperialistischen Propaganda – glaubte man allgemein, Weihnachten würden alle wieder in der Heimat und der Krieg zu Ende sein. Die Mehrzahl der deutschen Künstler war ebenfalls von der Stimmung erfaßt und stellte – mehr oder weniger prononciert – die künstlerische Arbeit in den Dienst dieses Hurra-Patriotismus. Auch Heinrich Zille zeigte sich zu Anfang des Krieges von dieser Propaganda beeindruckt und befand sich in ihrem Fahrwasser. 1914 erfand Zille die Figuren von »Korl und Vadding«, zwei Landwehrmänner, die die einfachen Leute im Krieg verkörpern sollten. Er ließ sie die Feldzüge an allen Fronten mitmachen, dennoch verlieren sie in keiner Situation ihren Humor.

zille Von 1914 bis 1918 zeichnete Zille jede Woche insgesamt sind es 200 Folgen ein neues Erlebnis der beiden für den » Ulk«, die Wochenendbeilage des »Berliner Tagesblattes«. In der Gestalt des Korl hat sich Zille selbst gezeichnet. Die Geschichten von »Kort und Vadding« fanden große Resonanz, so daß der Verlag der »Lustigen Blätter« im Mai 1915 das erste Heft »Vadding in Frankreich« mit 27 gesammelten Zeichnungen aus dem »Ulk« herausgab.

zille - Kopie Ein halbes Jahr später erschien die zweite Folge »Vadding in Frankreich« und 1916 das Heft »Vadding in Ost und West«. Alle Hefte, mit jeweils 27 Zeichnungen, zum Preise von einer Mark, waren schon bald nach dem Erscheinen vergriffen – das erste Heft in der Erstauflage von 12 000 Stück bereits nach sechs Wochen -, so daß mehrere Nachauflagen gedruckt wurden. Diese Hefte waren hauptsächlich für die Soldaten an der Front gedacht. »Vadding in Frankreich« erschien 1917 auch als Postkartenserie, zusammen mit der ebenfalls von Zille gezeichneten Serie »Mudding hält durch«, herausgegeben von dem Berliner Verlag Dr. Eysler & Co. Jede Serie enthielt zwölf farbige Postkarten und kostete eine Mark. Die »Korl-und-Vadding«-Serien geben nichts von den grausamen Erlebnissen der Soldaten im Kriege wieder. Manches Kriegsgeschehen klingt zwar realistisch an, etwa zerstörte Häuser, tiefe Granattrichter, verwundete und verstümmelte Soldaten, aber durch witzelnde Bildunterschriften wird das Geschehen auf die Ebene des Komischen gebracht. Es ist nichts Anklagendes in diesen Blättern. »Kort und Vadding« zeigen Verhaltensweisen und eine Menschlichkeit, die dem blutigen Wesen des Krieges völlig fremd sind. Solche Blätter verniedlichen und verharmlosen nicht nur das mörderische Kriegsgeschehen, sondern sie täuschen auch über den wahren Charakter des imperialistischen Krieges hinweg. Heinrich Zille 1858-1929, Berlin-Information, Berlin, 1978, S.132ff.

Zum Schluss soll doch noch erwähnt werden, dass es auch deutsche Künstler gab, die den grauenvollen Krieg sofort durchschauten und seine Sinnlosigkeit und Grausamkeit bildnerisch festhielten. Erinnert sei dabei an Käthe Kollwitz und Otto Dix.

Dix 1916Otto Dix, Verwundeter Soldat, 1916

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