SIE STARBEN JUNG! – so heißt ein 2014 erschienenes Buch über acht Künstler und Dichter vor dem Ersten Weltkrieg. Unter ihnen Franz Marc.
„Welche Gedanken begleiteten die jungen Männer, welche Ideen und Ideale prägten sie. Wie sah ihr Weltbild aus, das ihr Werk formte? Eine ganz neue Gesellschaft, vergeistigt, gereinigt, spirituell gestärkt, würde sich aus den Trümmern erheben. Mit diesen Gedanken malten sie ihre Bilder, zogen sie in den Krieg – und starben jung!“ (Klappentext)
Anfang 1914 kommt Franz Marc nur wenig zum Arbeiten. Im April ziehen er und seine Frau Maria in ein eigenes Haus in Ried bei München. Der Umzug kostet Zeit. Trotzdem arbeitet er ununterbrochen weiter an seinen Projekten, und es entstehen die ersten Bilder in Ried. Aber er malt nicht nur an immer wieder neuen betörenden Bildern. Gleichzeitig schreibt er Aufsätze über die kommende Kunst und knüpft auf Reisen Kontakte, etwa zu den Malern der „Brücke“ in Dresden und Robert Delaunay in Paris. Mitten hinein in seine vielfältigen Aktivitäten platzen die Nachrichten vom Ultimatum an Serbien und der Befehl zur Mobilmachung. Franz Marc meldet sich freiwillig.
Das war allerdings für sein Schaffen ein ungünstiger Zeitpunkt. Mit Kandinsky zusammen hatte er drei Jahre zuvor die Künstlervereinigung „Der Blaue Reiter“ ins Leben gerufen. Die Münchner Ausstellung der Gruppe sorgte für Aufsehen und einen Skandal. Publikum und Presse empörten sich über den vorher nie gesehenen radikalen Umgang mit Form und Farbe – „Schmiererei“, „Farbgesudel“, so tönte es.
Während Franz Marc und seine Freunde mit ihren Werken der Gesellschaft einen Weg in die Zukunft ebnen wollen, benutzen gleichzeitig Militär und die herrschende Klasse billigste Bildpropaganda. Mit Bildern und Texten, die den Krieg fast nicht von dieser Welt zeigen, sollen Heldenverehrung und Opferbereitschaft der deutschen Soldaten gesteigert werden. Engel und andere unwirkliche Geschöpfe sollen geschickt das wahre Gesicht des Krieges verbergen.
Was Franz Marc über diese elende, verharmlosende „Kunst“ dachte, können wir nur ahnen. Vielleicht hat er das alles gar nicht wahrgenommen. Ihm ging es wie vielen Künstlern und Intellektuellen eher darum, den Krieg in seine eigenen Zukunftsvisionen einzubeziehen. Der Krieg als Möglichkeit einer großen „Reinigung“ und als „heilsamen, wenn auch grausamen Durchgang“, so schreibt er im Oktober an Kandinsky. Kunst mit der Waffe?
Schnell geht es nach wenigen Wochen an die Front zu den Schlachten um Lothringen. „Aus dem ‚Blauen Reiter‘ Marc ist ein militärischer Meldereiter geworden. Trotzdem bleibt ihm oft Zeit für nächtliche Ritte unterm Sternenzelt. In solchen Momenten wird ihm der Krieg geradezu zum Naturerlebnis.“ http://www.zeit.de/2014/08/erster-weltkrieg-franz-marc Im März 1916 wird Franz Marc auf einem Erkundungsritt, nicht weit von Verdun, von Granatsplittern getroffen. Er verblutet.
2014 war das große Erinnerungsjahr an den Beginn des Ersten Weltkriegs. Alles, aber auch alles, was damit zu tun hatte, wurde in den Medien – Büchern, Zeitungen und Fernsehen – ausgebreitet. Das geschah nicht nur in Deutschland, sondern auch in unseren Nachbarländern Frankreich, England und Belgien.
http://www.tradeflandern.com/files/tfb_media/7184.orig.pdf
http://www.rheinland1914.lvr.de/media/1914/dokumente/broschueren_usw/Flandern_100_Jahre_Erster_Weltkrieg.pdf
Es entstand als Nebenprodukt ein kaum gesteuerter, aber erfreulicher Prozess, die Erinnerungskultur über die eigenen Landesgrenzen hinaus europäisch zu definieren. Ein Beispiel dafür ist europeana, ein Blog, der in nahezu allen europäischen Sprachen abrufbar ist. http://www.europeana.eu/
Vielleicht sollte man in diesem Jahr etwas verhaltener sein und die Ereignisse von damals nicht immer wieder aufwärmen, dafür aber umso intensiver ausloten, wie dieses zarte Pflänzchen „Europäische Erinnerungskultur“ wachsen und gedeihen kann. Das heißt auch u.a.: Erinnerung sollte nicht nur an ein Gedenkjahr oder an bestimmte Gedenktage gebunden sein.
Der Münchener Künstler Gerd Scheuerer hat auch ohne runde Gedenkjahre schon vor acht Jahren ein Bild geschaffen, das an den großen Künstler Franz Marc und sein Schicksal erinnern soll. Sein Bruder Franz Scheuerer hat dazu eine ausführliche Deutung dieses Bildes veröffentlicht. Im Mai 2014 hat er dazu ein Gedicht geschrieben. Das Bild und das Gedicht findet man unter http://www.gersch.info/das-bild/
„Der Titel des Gemäldes erinnert an das Schicksal von Franz Marc. Er und Wassily Kandinsky gründeten 1911 den Blauen Reiter, eine bedeutende Künstlervereinigung für die weitere Entwicklung der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts.
In Murnau/Bayern lebte Wassily Kandinsky mit seiner Lebensgefährtin Gabriele Münter, die fast das gesamte Werk Kandinskys vor dem Zugriff der deutschen Nationalsozialisten rettete und 1954 der Öffentlichkeit zugänglich machte. Neben Marc und Kandinsky waren auch so bekannte Künstler wie August Macke, Paul Klee und Alfred Kubin im Blauen Reiter aktiv.
Der Münchner Maler Gerd Scheuerer (Jahrgang 1948) sieht sich der Kunst des Blauen Reiter verbunden und hat Murnau, als den geografischen Ort dieser expressionistischen Vereinigung, oft besucht. Anknüpfend an den künstlerischen Stil des Blauen Reiter spiegelt Scheuerer in seinem Gemälde farbliche Tiefe, bildnerische Intelligenz und eine ausgeprägtes Empfindung für improvisierte Formen. Dabei bewegt ihn die Frage, warum ein mit so hohem Bewusstsein ausgestatteter Mensch wie Franz Marc (und auch August Macke), angesichts aller voraussehbarer Grausamkeiten und Gefahren des 1. Weltkrieges, als Freiwilliger in die Schlacht zog. War es überhöhter Nationalismus? War es das männliche Ego? Die spirituelle und transzendente Ausstrahlung des Bildes überlässt dem Betrachter die Antwort.“
Text: Franz Scheuerer http://germanforum.cri.cn/viewtopic.php?f=8&t=366
Großer Krieg und Blaue Reiter
Sie ritten mannhaft auf bunten Tieren,
die Blauen Reiter.
Im siegtrunkenen August,
hinüber nach Frankreich.
Das Erbübel zu reinigen,
in Strömen kranken Blutes.
Pinselten mit Flinten das Rot
auf die Stirne der Feinde.
Die Nation nicht zu enttäuschen,
ob ihrer ästhetischen Revolutionäre.
Derweil Matisse
floh seine Künstlerfreunde zu Verdun.
Schloss kränkelnd seinen Separatfrieden von Cimiez,
im Angesicht das Schattenbild von Notre Dame.
Franz Scheuerer/Mai 2014
Quellenhinweis für das Buch SIE STARBEN JUNG! http://www.reimer-mann-verlag.de/controller.php?cmd=detail&titelnummer=302704&verlag=3