Seit Kriegsbeginn sind die Frauen als Krankenschwestern und Pflegerinnen mit an der Front. Viele Frauen melden sich freiwillig. Sie erleben sterbende Soldaten, die ihre Brüder und Männer sein könnten, und kommen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Ihre Kraft schöpfen sie aus der Dankbarkeit, die ihnen die verwundeten Soldaten entgegenbringen.
Als der Krieg gar nicht mehr aufhören will, geraten die Frauen in einen besonderen Zweifrontenkrieg. Sie werden an der Kriegsfront gebraucht, aber auch zu Hause. Während die Männer millionenfach in den Schützengräben sterben oder verletzt werden, müssen die Frauen vor allem an der sogenannten Heimatfront „ihren Mann stehen“.
Schon kurz nach Kriegsbeginn war „Heimatfront“ ein verbreiteter Begriff für die enge Verbindung von Front und Heimat. In der Arbeitswelt gab es zahlreiche Verwerfungen, etwa durch groß angelegte Entlassungen in der Textilindustrie. Ganze Branchen wurden arbeitslos. In anderen wichtigen Bereichen fehlten jetzt die Männer.
Jetzt brauchte man an der Heimatfront die Frauen. Sie wurden zunächst in der Rüstungsindustrie eingesetzt. Ihr Einsatz wurde schamlos ausgenutzt. Frauen erhielten für die gleiche Arbeit meist nur bis zu 40 Prozent des Lohnes der Männer, mit der Begründung, dass sie nicht so belastbar wären wie diese und deshalb weniger leisten würden. Überstunden wurden nicht bezahlt. Arbeiterinnen in der Rüstungsindustrie, in Munitions- und Stacheldrahtfabriken, schufteten unter Lebensgefahr bis zu 13 Stunden täglich. Unfälle, Krankheiten und Fehlgeburten häuften sich. Der Bochumer Historiker Lucian Hölscher fasst das neue Elend der Frauen so zusammen: „Ab 1916 mussten Zehntausende Frauen im Ruhrgebiet in der Schwerindustrie arbeiten, viele von ihnen unter unmenschlichen Bedingungen. Sie litten Hunger, ihre Löhne waren niedrig.“
Aber bald waren auch andere Berufsgruppen „ausgeblutet“. In den Städten brauchte man vor allem in den öffentlichen Einrichtungen dringend Ersatz für die Männer, die an der Kriegsfront waren.
Im Illustrierten Jahrbuch von 1917, das im renommierten Verlag des Berliner Tageblatts erschien, zeigen die Kalenderblätter Frauen in ihren neuen Arbeitsbereichen. Da gibt es die Straßenbahnfahrerin, die Fahrdienstleiterin, die Fahrstuhlführerin und die Fensterputzerin. Sogar bei der Müllabfuhr packen die Frauen mit an.
Diese Zeichnungen geben nur ansatzweise die Realität wieder. Die Soldaten, die auf Urlaub heimkamen, um ein paar Tage ohne Sorgen zu verbringen, fanden jetzt immer öfter ihr Zuhause stark verändert vor. Ihre Ehefrauen oder Verlobten waren von der ungewohnten Arbeit erschöpft und brauchten selber Trost und Unterstützung. Aber wer hatte schon die Kraft, den anderen aufzurichten, wenn die Zukunft immer düsterer wurde und Hunger, Mangel und Elend immer größer wurden!
Nicht selten fand der Krieg auch im Wohnzimmer zwischen den Geschlechtern statt. Manchmal auch im Schlafzimmer. Empfängnisverhütung wurde zwar immer häufiger eingesetzt, aber weniger in den ärmeren Familien und auf dem Lande. Die äußerst bedrängten Lebensverhältnisse machten das Aufziehen von Kindern zu einer fast unlösbaren Aufgabe. Täglich wurden Tausende von Männern an den Fronten getötet und die Heimatfront verelendete immer mehr. Da wollte man keine Kinder in die Welt setzen, in der die Mädchen nur zum Hungern und die Jungen nur für das Massengrab bestimmt zu sein schienen. Die Zahl der Geburten in Deutschland sank jedenfalls während des Krieges erheblich. (http://www.erster-weltkrieg.clio-online.de/_Rainbow/documents/keiner%20f%C3%BChlt%20sich%202/daniel.pdf)
Eher beschönigend geht es wie üblich auf den Postkarten zu. Sie wurden vermutlich ganz gezielt als Propaganda eingesetzt, um die aus den Fugen geratene Welt zu verstecken. Da hat z.B. der Verlag „Die Lustigen Blätter“ den Künstler Ernst Heilemann angestellt, der für seine kleinen Anzüglichkeiten in Text und Bild bekannt war. Ein paar hübsche Frauen werden als Dekorationsobjekt unter die Soldaten gemischt. Urlaubsfreuden – so verheißt eine Postkarte – bestehen für den Frontkämpfer aus zwei attraktiven Frauen, die ihn in die Mitte nehmen und sonstwohin entführen.
Eine andere Postkarte – ebenfalls von Ernst Heilemann – hat den merkwürdigen Titel Die Regimentstochter. Es ist eine Künstler-Postkarte aus der Serie Die Frau im Beruf. Abgesehen davon, dass eine Oper von Donizetti so heißt, soll der Titel wohl suggerieren, dass diese hübsche junge Frau mit der tollen Frisur und dem modischen Kleid das Regiment in der Dienststube führt. Der junge Soldat steht jedenfalls schüchtern und recht hilflos vor diesem fremden und für ihn unerreichbaren Wesen Frau.
Die Postkarte hat der Soldat Emil Müller fast zum Ende des Krieges mit der Feldpost an seine liebe Meta nach Plauen im Vogtland geschickt. Emil schreibt über tägliche Kleinigkeiten. Sein Smalltalk mündet am Schluss in einer allgemeinen Sorge um den Frieden.
12.8.1918
Meine liebe Meta!
Erhielt gestern deinen Brief. Sage meinen besten Dank und hoffe, nun mich bald mal mit Dir mündlich austauschen zu können.
Na, hat ja unser Traudel ganz schön Geld. Na, wird auch gebraucht. Zahnschmerzen haben etwas nachgelassen und mit den Beeren habe ich schon gehört. Na, muß auch ohne den gehen. Der Dengers Max ist auch zu bedauern. Na, das Elend wird auch nicht alle. Wir haben auch zu nichts mehr Lust, wenn man gar keine Aussicht auf einen Frieden hat. Na, aber sonst noch gesund, hoffe es auch von euch. Grüßt auch Vater Emil.
Das traurige Kapitel Frauen an zwei Fronten ging nach Kriegsende weiter. Zunächst mussten viele Frauen in der Arbeitswelt den Kriegsheimkehrern Platz machen. Gedankt wurde den Frauen ihr Einsatz nach dem Krieg nicht. Die heimkehrenden Männer kehrten auf ihre Posten zurück. Kriegswitwen wurden zu Bittstellerinnen. Die berufliche Emanzipation der Frau, die angeblich durch den Ersten Weltkrieg vorwärts katapultiert wurde, hielt sich in Grenzen. Manche Berufssparten blieben überwiegend weiblich geprägt, etwa die der „Ladenfräulein“ oder der Sekretärinnen. Den Hauptgrund dafür kennen und erleben wir bis heute: Frauen waren einfach billiger.
Links zum Themahttp://www.wissen.de/erster-weltkrieg-wo-waren-die-frauen
http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/ersterweltkrieg/155330/frauenarbeit-und-geschlechterverhaeltnisse
http://www.digada.de/wk1/kap3/frauen.htm
http://www.derwesten.de/panorama/wochenende/frauen-schufteten-im-ersten-weltkrieg-an-der-heimatfront-id9277682.html http://diestandard.at/1363707214851/WoMen-at-War-Ausstellung-Frauen-Erster-Weltkrieg
Kleiner Nachtrag zum sogenannten Künstler Ernst Heilemann (1870 – 1936)
http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Heilemann
Heilemann war bekannt und beliebt wegen seiner lasziven Zeichnungen, die er mit anzüglichen Untertiteln verfeinerte.
Ein Beispiel für seine Vorliebe für Altherrenwitze zeigt das Titelblatt der Lustigen Blätter vom März 1913. Dort beklagen grinsende Offiziere mehr oder weniger offen den Mangel an Jungfrauen. Später scheint Heilemann übrigens dem Nationalsozialismus nahegestanden zu haben, da aus den 1930er Jahren einige Porträts von Adolf Hitler überliefert sind.