Seit der Reichsgründung gab es in Deutschland eine aktive konservative Frauenbewegung. Es waren meist Frauen aus dem mittleren und gehobenen Bürgertum. Sie verstanden sich als Gegenbewegung zur liberalen bürgerlichen Frauenbewegung.
Der wichtigste und zahlenmäßig größte Verein war der „Vaterländische Frauenverein“, der 1914 rund 60.000 Mitglieder zählte. Er wurde bereits 1866 durch die preußische Königin Augusta gegründet. Der Verein bildete Frauen als Sanitäterinnen aus und baute ein sanitäres Netzwerk auf.
Der 1905 gegründete „Flottenbund deutscher Frauen“ begann schon zu Friedenszeiten Geld zu sammeln für den Ausbau der kaiserlichen Flotte. So steht es jedenfalls im Vorwort zu einem Kinderbuch, das von einer gewissen Emma Müller-Aachen verfasst wurde – ein Buch, das beim heutigen Leser Wut, Kopfschütteln und Trauer hinterlässt.
Es hat gleich drei Titel: „Der große Teich“ oder „Die eifersüchtigen Knaben“ und den Untertitel „Eine Kriegskindergeschichte“.
Man fragt sich: Wie konnte nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn ein solches Buch entstehen? Großformatig (29 cm x 22 cm) und so aufwändig hergestellt, dass es wohl nur in die Hände der Kinder von reicheren Eltern gelangen konnte. Diese Kinder sollten verführt werden, den Krieg als ein heiliges Mittel anzusehen, die Opfer als unvermeidlich, um die Heimat vor den bösen Feinden zu retten, und schließlich sogar um Geldspenden locker zu machen für den Flottenbund deutscher Frauen. Die Geschichte ist eher belanglos. Der vollständige Text ist eingescannt unter http://win2014.de/?page_id=197. Hinweis: Durch Anklicken eines Bildes wird dieses vergrößert.
Zum Schluss verrät die Autorin, dass es eigentlich gar keine Kindergeschichte ist, sondern ein Loblied auf Kaiser Wilhelm:
Ihr werdet die andern Knaben und Mädchen leicht erkennen, aber muß ich euch den Wilhelm vorstellen? Ich denke nicht, Ihr habt ihn alle erkannt, unsern vielgeliebten Kaiser Wilhelm II. Er führt jetzt draußen auf den Schlachtfeldern unsere Heere zu Wasser und zu Lande gegen unsere tückischen Feinde, die unser geliebtes Vaterland bedrohen. Von Osten und von Westen wollen sie eindringen, aber er hält sie alle mit starker Hand fern. Hoch Kaiser Wilhelm! Hoch Kaiser Franz Joseph! Möchten sie den furchtbar schweren Kampf zu einem siegreichen Ende führen! Das walte Gott!
Als Weihnachten 1914 dieses Kriegskinderbuch als Geschenk unter dem Tannenbaum lag, wurde deutlich, was mit dem furchtbar schweren Kampf tatsächlich gemeint war: In den ersten fünf Kriegsmonaten (von August bis Dezember 1914) gab es über 140.000 Tote auf deutscher Seite. Die Franzosen hatten sogar fast 300.000 gefallene Soldaten zu beklagen.
Emma Müller-Aachen hat dann 1915 sogar noch eine Fortsetzung geschrieben mit dem Titel „Der große Teich“, Teil 2, „Die streitenden Knaben“. Hier versucht sie anhand von Spielzeugsoldaten den ahnungslosen Kindern den beginnenden Grabenkampf und die Schützengräben schmackhaft zu machen.
Um die politischen und nationalistischen Avancen dieser Frauenvereine zu verstehen, sei hier noch ein Gedicht wiedergegeben, das eine gewisse Frida Schanz zum Geburtstag der Kaiserin im Jahre 1915 verfasst hat.
22. Oktober 1915.
Frauen und Mädchen, Mütter und Bräute!
Zu unsrer Kaiserin ziehn wir heute,
Zu unsrem hohen Geburtstagskind
Mit einem fröhlichen Angebind – :
Im Kriegsjahr statt Rosen
Äpfel, Birnen und Aprikosen!
Was gereift an Halden und Rainen,
In den großen Gärten und in den kleinen,
Was Baum und Strauch zu bringen vermocht,
Was wir mit Liebe eingekocht,
Daß uns selber das Herz gelacht,
Das sei unsrer Kaiserin dargebracht,
Daß sie’s dem Heere im Felde sende,
Daß sie’s den Wunden und Süchtigen spende.
Solche Gabe wird ihr gefallen!
Sie bangt und jubelt ja mit uns allen.
Hat ja Millionen Jungen im Feld,
In ihrem Herzen zittert die Welt.
Sie soll unsre liebenden Seelen spüren!
Drum heraus aus Toren und Türen!
Herbei mit den Kirschen, den schwarzen, den hellen,
Den Königinpflaumen, den Schattenmorellen,
Den Heidelbeeren, den Preißelbeeren,
Den Büchsen und Töpfen, den leichten, den schweren,
Den großen Kruken mit Pflaumenmus,
Das den Jungs schmeckt wie bei Muttern to Hus!
Herbei aus Dörfern, aus Schlössern, aus Kathen!
Wir können keine Schwester entraten!
Aus der Großstadt und aus dem kleinsten Nest,
Alle aus Norden, Süd, Ost und West!
Es kommt darauf an, dass nicht eine fehle.
Wir brauchen die ganze Frauenseele.
Unsre Gabe soll sich häufen und türmen,
Als wollten wir auch eine Festung erstürmen,
Soll sich legen als reifer Früchtekranz
Um alle Not unsres Vaterlands!
Alle für Alle! Das ist ihr Sinn.
Liebe Frau Kaiserin, nimm sie hin.
Die Ernte war ja so wunderbar
In diesem eisernen Gnadenjahr!
http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/frauenverein/index.html