1914, als der der Beginn des Ersten Weltkriegs sich zum einhundertsten Mal jährte, gab es in vielen europäischen Städten Ausstellungen, um an dieses schreckliche Datum zu erinnern. Hamburg hat vor drei Jahren dazu geschwiegen oder diesen Moment schlichtweg verschlafen.
Im Augenblick gibt es gleich zwei Ausstellungen in Hamburg, die den Ersten Weltkrieg zum Thema machen. Und das, obwohl es kein aktuelles Erinnerungsdatum gibt. Zufällig oder auch nicht befassen sich beide Ausstellungen unabhängig voneinander mit dem gleichen Thema: Kriegspropaganda vor 100 Jahren.
In der Fabrik der Künste standen 100 großformatige Plakate aus verschiedenen Kriegsländern im Mittelpunkt. „Kriegslügen – Plakate und Illustrationen“ – unter diesem Aspekt wurde das Material für diese Ausstellung zusammengetragen und präsentiert. Der Versuch ist gelungen, mit Künstlerflugblättern, Plakaten und Installationen einen argumentativen und emotionalen Bogen über den Ersten Weltkrieg und weitere Kriege bis in die Gegenwart zu schlagen.
Wahrheit – ein dehnbares Gut und gerade in unserer schwierigen „postfaktischen“ Ära ein immens wichtiges Thema. In Kriegszeiten wird seit jeher mit der Wahrheit hantiert, wie es den Machthabern passt. Die Ausstellung „Kriegslügen“ zeigte historische Künstlerflugblätter u.a. von Käthe Kollwitz, Ernst Barlach und Max Beckmann und Propaganda-Plakate aus England, Russland, Frankreich, Deutschland und den USA. Zur Ausstellung wurde auch ein vielfältiges Begleitprogramm angeboten, u.a. ein Diskussionsabend mit Ulrich Wickert, Lesungen und Filme.
Leider ist die Ausstellung nur kurze Zeit bis Anfang April zu sehen gewesen. Aber ein Besuch der Fabrik der Künste in Hamburg-Hamm lohnt sich allemal. Wer noch nie dort war, sollte sich diese Location bei nächster Gelegenheit anschauen. Es locken ständig neue Ausstellungen.
http://www.fabrikderkuenste.de/veranstaltungen.html
Fabrik der Künste, Kreuzbrook 10, 20537 Hamburg
Die zweite Ausstellung ist gerade im Mahnmal Nicolai eröffnet worden. Nicht große Plakate, aber aufschlussreiche Propagandapostkarten zeigen auch hier: Die Wahrheit wird bewusst verfälscht. Und das zeigt diese kleine Ausstellung auf beeindruckende Weise.
„Wem gehört Polen?“ Eine Grenzen überschreitende Ausstellung
Anhand von 60 Propagandapostkarten aus dem Ersten Weltkrieg präsentiert die Ausstellung die Situation und Stimmung der Polen in dieser Zeit und veranschaulicht ihre komplizierte Stellung in der internationalen Politik.
Der Konstanzer Professor Rudolf Jaworski hat diese Postkarten selber jahrelang gesammelt und hat die Ausstellung auch kuratiert. Im Mittelpunkt steht auch hier die These, dass alle teilnehmenden Kriegsländer diese Postkarten für ihre Propagandazwecke genutzt haben. Oder wie es Professor Wlodzimierz Borodziej aus Warschau in seinem Vortrag vorangestellt hat: „Bilder lügen.“
Gemeint sind in dieser Ausstellung ausschließlich propagierte Polenbilder. Man entdeckt fast wie unter einem Mikroskop auf den Schautafeln die patriotische Selbstdarstellung der Polen, die sekundierende französische Perspektive und den Blickwinkel der drei Teilungsmächte Russland, Preußen-Deutschland und Österreich-Ungarn.
„Wem gehört Polen?“ Propagandapostkarten aus dem Ersten Weltkrieg
Eine Ausstellung des Wissenschaftlichen Zentrums der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Präsentiert in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg
Text und Bildauswahl: Professor Rudolf Jaworski
Die Ausstellung ist bis zum 30. Mai 2017 täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr im Gewölbekeller des Mahnmals St. Nikolai zu besichtigen. Eintritt frei.