Sommerzeit ab 1. Mai 1916

Schon im Verlauf des Jahres 1915 wurden in Deutschland Brennstoffe knapp. In den Großstädten Berlin und München z.B. war schon im Herbst 1914 der Gasdruck im Stadtgasnetz reduziert worden, die Straßenlaternen wurden ganz oder teilweise abgeklemmt. Um wenigstens von Frühjahr bis Herbst das reichlich vorhandene und kostenlose Tageslicht maximal auszunutzen, wollte die Reichskanzlei möglichst schnell die bereits 1912 vorgeschlagene Zeitumstellung einführen.

Dafür brauchte man eigentlich ein Gesetz, das nur der Reichstag erlassen konnte. Das aber dauerte für den Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg zu lange. Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 4. August 1914 konnte der Bundesrat, die Vertretung der Fürsten im Kaiserreich, auch solche einschneidenden Veränderungen per Verordnung einführen. Mit der Rationierung von Lebensmitteln oder der Beschlagnahme von Vorräten war es ähnlich gelaufen. Nun also auch die Zeitumstellung. Am 6. April 1916 erschien die entsprechende Verordnung im Reichsgesetzblatt:

„Der 1. Mai 1916 beginnt am 30. April 1916 nachmittags elf Uhr nach der gegenwärtigen Zeitrechnung. Der 30. September 1916 endet eine Stunde nach Mitternacht im Sinne dieser Verordnung.“

Mit Postkarten, Flugschriften und in den Zeitungen wurde die bevorstehende Zeitumstellung bekannt gemacht. Die braven Deutschen folgten und stellten dem Gesetz entsprechend am 30. April nachts um 23 Uhr ihre Uhren um eine Stunde vor.

Dennoch führte die Umstellung zu teilweise chaotischen Verhältnissen. Der 1. Mai 1916 war ein Freitag und die Arbeiter kamen in vielen Betrieben zu früh zur Frühschicht. Auch im Berufs- und Lieferverkehr klappte an diesem Tag wenig reibungslos. Zwar pendelte sich die Logistik nach dem Wochenende wieder ein, doch zufrieden waren die Behörden nicht.

Immerhin: Die erhoffte Kohleersparnis wurde einigermaßen Wirklichkeit. In Bremen z.B.  verbrauchten die Stadtwerke bis September 1916 rund 358 Tonnen Kohle weniger. Die Bürger hatten allerdings wenig davon: Zwar mussten sie dank der Zeitumstellung weniger an die Stadtwerke bezahlen, doch dafür musste der Senat von Bremen die direkten Steuern erhöhen, um den Einnahmeverlust von 40.000 Mark auszugleichen.

Im folgenden Jahr wurde die Einführung der Sommerzeit auf die Nacht zum dritten Montag im April verlegt, und zwar auf zwei Uhr morgens – in die ruhigste Zeit. Zurückgestellt wurden die Uhren am dritten Montag im September.

Quelle:
http://www.welt.de/geschichte/article126298210/Sommerzeit-ist-ein-Produkt-des-Ersten-Weltkriegs.html
 

sommerzeit

Die Postkarte DEUTSCHE SOMMERZEIT ist nicht gerade ein Wunderwerk der Werbekunst. Die Botschaft kommt recht betulich und eher im Hintergrund daher. Ein einsamer Landwehrmann hält seine Taschenuhr Punkt 11 Uhr in der Hand, und am Himmelsfirmament erscheint die neue Zeit 12 Uhr. Der Mond daneben nimmt das alles gelassen zur Kenntnis.

Nebenbei ist noch schnell Platz für zwei Botschaften, die auch helfen sollen, den Krieg zu gewinnen. Auf dem Blatt vom 30. April steht der Kalenderspruch Zeit ist Geld, und für den 1. Mai wird noch schnell und zuversichtlich eingefügt Heil Sieg! Oder vielmehr das damals übliche Heil und Sieg!, das hier vom 30. April verdeckt wird. Welche Ernte die Frau mit der Sense einfährt, bleibt unklar. Für Heu oder Getreide ist es am 1. Mai wohl noch zu früh.

Übrigens: 1890 wurde der 1. Mai zum ersten Mal in der ganzen Welt als „Protest- und Gedenktag“ mit Massenstreiks und Massendemonstrationen  begangen. Der Versuch der Weimarer Nationalversammlung, den 1. Mai im Jahre 1919 zum gesetzlichen Feiertag zu bestimmen, scheiterte kläglich. 1933 wurde dann daraus der Feiertag der nationalen Arbeit und ab 1934 der Nationalen Feiertag des deutschen Volkes.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Heimatfront, Postkarten abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.