Sag mir, wo die Männer sind

männerSag mir wo die Männer sind, wo sind sie geblieben?
Dieses Foto wurde 1923 aufgenommen – vier Jahre nach Kriegsende. Da muss man gar nicht lange fragen, wo die Männer geblieben sind.  Ein Blick auf diese alberne Gesellschaft reicht. Acht Frauen sind auf dem Foto zu sehen, zwei Männer haben sich auch noch als Frauen verkleidet. Der einzige Mann in der Mitte scheint jenseits von Gut und Böse zu sein.
Fünf Jahre nach Kriegsende sind Männer in Deutschland knapp. Fast drei Millionen sind bis 1918 als Soldaten oder Zivilisten getötet worden. Fast auf jedem Foto, das nach 1918 entstanden ist, fragt man sich: Wer fehlt auf dem Bild? Wer fehlt auf unserem Familienfoto? Wie würde der gefallene Sohn jetzt aussehen?  Ja, und wer mag wohl bei diesem lustigen Waldausflug fehlen? Ein Bild der Überlebenden.

Wie hätte die Gesellschaft ausgesehen, wenn in den 20er Jahren all diese Männer noch gelebt hätten? In den Familien war die Trauer über den Sohn, den Vater oder Schwager groß. Sie waren in den Krieg gezogen und kamen nicht zurück. Wann wird man je verstehen, heißt es in dem berühmten Lied von Pete Seeger.

So manches Fotoalbum lag jetzt halbleer zu Hause in der Kommode, aber es wurden keine Bilder mehr eingeklebt. Eltern hatten oft ein schönes Album für ihren Sohn angelegt, in Leinen oder Leder gebunden, die Seiten schwarz mit durchsichtigen Zwischenblättern. Mit weißer Tinte hatten sie unter jedes Foto eine  Zeile geschrieben – von der Geburt an über die Taufe und Konfirmation bis zum Abitur. Wenn die Fotos den Sohn im Mittelpunkt von Familienfeiern zeigten oder vielleicht schon mit Arbeitskollegen – man war stolz auf ihn. Besonders stolz waren die Eltern meistens, wenn das erste Foto mit Uniform ins Album kam.

Aber dann begann das Zeitalter der halbvollen Fotoalben. Wenn der Postbote einen offiziellen Brief vom Heereskommando brachte, wusste man: Ab jetzt gibt es keine weiteren Fotos des geliebten Sohnes. Wenn man Glück hatte, gab es als letztes „Lebenszeichen“ ein Bild vom Grab. Was das für die Eltern bedeutete, hat Kurt Tucholsky in seinem Gedicht Der Graben beschrieben:

Mutter, wozu hast du deinen aufgezogen?
Hast dich zwanzig Jahr mit ihm gequält?
Wozu ist er dir in deinen Arm geflogen,
und du hast ihm leise was erzählt?
Bis sie ihn dir weggenommen haben.
Für den Graben, Mutter, für den Graben.

1.2.42

Großes Geburtstagsfest für den jüngsten Sohn (1894)

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Einschulung (1895)

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In der vierten Klasse (1899)

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Der Student (1910)

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Die Verlobung (1913)

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Der Stellungsbefehl und die Einberufung (1914)

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Vor dem Abmarsch an die Front (1914)

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Warten auf den ersten Fronteinsatz (1915)

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In der Gefechtspause (1915)

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Gefallen (1915)

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Das letzte Foto

Sag mir, wo die Blumen sind,
wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Blumen sind,
was ist geschehn?
Sag mir, wo die Blumen sind,
Mädchen pflückten sie geschwind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Mädchen sind
wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Mädchen sind
was ist geschehn?
Sag mir, wo die Mädchen sind
Männer nahmen sie geschwind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Männer sind
wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Männer sind
was ist geschehn?
Sag mir, wo die Männer sind
Zogen fort, der Krieg beginnt.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Soldaten sind
wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Soldaten sind
was ist geschehn?
Sag mir, wo die Soldaten sind
Über Gräbern weht der Wind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

cropped-mm_0008.jpgWhere have all the graveyards gone?
Cowered with flowers every one
When will they ever learn?
When will they ever learn?
                                   Pete Seeger (1955)

Vor 100 Jahren begann die Schlacht um Verdun. Am 21. Februar 1916 griffen deutsche Truppen die Stadt und ihre Befestigungen an. Fast ein Jahr dauerte der Stellungskrieg – ohne wesentliche Verschiebung des Frontverlaufs. In der Umgebung von Verdun gibt es heute 29 deutsche Soldatenfriedhöfe mit 75.000 gefallenen Soldaten.

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Welche Männer fehlen auf diesem Bild von 1923?

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