Buchtipps zu Weihnachten

„Das sind die besten Bücher zum Ersten Weltkrieg.“ So titelte DIE WELT vor einem Jahr am 2. Januar 2014 zum Auftakt des Gedenkjahres „100 Jahre Erster Weltkrieg“. Christopher Clarks Schlafwandler und andere frisch erschienene geschichtsträchtige Werke waren dabei, aber auch Wiederauflagen von Ernst Jünger: In Stahlgewittern und seine Tagebücher. Was bleibt, was ist bald vergessen?

Jetzt zum Jahresende hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Viele dicke Wälzer, vor allem von Historikern geschrieben, gingen über den Ladentisch: Christopher Clark bereits in 19. Auflage, Jörn Leonhard, Oliver Janz, Gerd Krumeich, Herfried Münkler, um nur ein paar Namen zu nennen. Ob sie alle gelesen wurden, ist eine andere Sache.
Aber dann… Sucht man in der Abteilung „Romane“, die den ersten Weltkrieg zum Thema machen oder zumindest als Folie verwenden, ist die Ausbeute sehr gering. Dabei würde sich dieses Genre doch geradezu anbieten, um neue Impulse für eine gemeinsame europäische Erinnerungskultur zu geben. Romane werden, wenn sie gut geschrieben sind, in andere Sprachen übersetzt und kommen weiter herum als wissenschaftliche Werke.
Über die Landesgrenzen hinaus haben das in diesem Jahr in ganz Europa nur wenige Romane geschafft. In Deutschland hat sich keiner der bedeutenden oder gefragten Schriftsteller an das Thema Erster Weltkrieg gewagt. Zu gefährlich und riskant ist dieses Thema wohl mit all seinen Konsequenzen für Deutschland bis 1945.

Tipps

Hans Hermann Grimm, Schlump
Da gab es immerhin einen gelungenen Nachdruck. Hans Hermann Grimm hatte 1928 den Roman „Schlump“ geschrieben. Erzählt wird – wie die Süddeutsche schreibt – „die Geschichte eines deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg aus dessen Perspektive, wobei es das große Verdienst des Autors sei, dass er seinen Bericht nicht auf die Schützengräben beschränkt, sondern auch die zivilen Aspekte des Krieges beschreibt – den Männermangel in der französischen Provinz, die Beziehungen zwischen den Soldaten seiner Truppe, das merkwürdige Gefühl, einen „Krieg ohne Feindschaft“ zu kämpfen.“  http://www.perlentaucher.de/buch/hans-herbert-grimm/schlump.html

Jean Echenoz, 14
Über Jean Echenoz und sein schmales Buch „14“ ist genug gesprochen und besprochen worden. Es hat uns eindringlich gezeigt, wie die französischen Soldaten gleiches erlebt und gleich gelitten haben wie die deutschen.    http://www.perlentaucher.de/buch/jean-echenoz/14.html

Zwei weitere Romane lauern eher im Hintergrund auf Leser und sollen deshalb hier besonders ans Herz oder auch auf den Gabentisch gelegt werden. Sie beschränken sich nicht nur auf die vier Kriegsjahre, sondern flechten diese Zeit der Hölle ein in die Jahre davor und danach.

romane_0001Pierre Lemaitre, Wir sehen uns dort oben
Pierre Lemaitres Roman „Wir sehen uns da oben“ ist überraschend mit den Prix Goncourt ausgezeichnet worden. Zu wünschen sind ihm auch viele deutsche Leser. Die Übersetzung ist vor ein paar Wochen bei Klett-Cotta erschienen. http://www.perlentaucher.de/buch/pierre-lemaitre/wir-sehen-uns-dort-oben.html

romane_0003Stefan Hertmans, Der Himmel meines Großvaters
Und dann noch Stefan Hertmans Roman „Der Himmel meines Großvaters“, der in Belgien einer der ersten in diesem Jahr war, der zu dem Thema „Erster Weltkrieg“ herauskam. Es ist schade, dass die deutsche Übersetzung erst jetzt erschienen ist.
Hertmans setzt mit diesem Buch seinem Großvater ein Denkmal – und den meist bitterarmen flämischen Soldaten, die als Kanonenfutter in einen ungleichen Krieg geschickt wurden. Er hat ein liebevolles und ergreifendes Porträt eines Mannes geschrieben, der für seinen Enkel ein stiller und verträumter Künstler war, im Krieg jedoch ein tatkräftiger und ausgezeichneter Soldat.  http://interview-lounge.tv/stefan-hertmans-es-ist-kein-buch-ueber-den-ersten-weltkrieg-es-ist-die-biographie-einer-seele/

Der Hanser Verlag, bei dem das Buch erschienen ist, schreibt im Klappentext: „Man kann alles, wenn man will!”, sagt der alte Mann zu seinem Enkel und schwingt sich in den Kopfstand. Die wahre Willenskraft seines Großvaters begreift Stefan Hertmans jedoch erst, als er dessen Notizbücher liest, und beschließt, den Roman dieses Lebens zu schreiben. Eindringlich beschwört er eine bitterarme Kindheit in Belgien, zeigt den 13-Jährigen, wie er bei der Arbeit in der Eisengießerei davon träumt, Maler zu werden, und stattdessen im Ersten Weltkrieg an die Front nach Westflandern gerät. Dass der Mann, der dieses Grauen überlebt, fast am Tod seiner großen Liebe zugrunde geht, ist eines der Geheimnisse, denen der Enkel auf die Spur kommt. Mit seiner Hommage an den Großvater ist Hertmans ein grandioser Roman gelungen. http://www.perlentaucher.de/buch/stefan-hertmans/der-himmel-meines-grossvaters.html

roman 3Man kann sich dem nur anschließen. Ein Buch, das man nach dem Lesen beiseitelegt und gerne mit jemandem darüber sprechen möchte. Am liebsten mit Stefan Hertmans selber. Aber weil zu Weihnachten nicht alle Wünsche erfüllt werden, helfen zumindest zwei kleine Interviewausschnitte mit ihm auf YouTube weiter. Hier verweist er u.a. auf zwei Schriftsteller, deren Art zu schreiben ihn inspiriert hat so zu schreiben, wie er geschrieben hat – Edmund de Waal mit „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ und W.G. Sebald mit „Austerlitz“. Außerdem gibt Hertmans Einblicke über die Entstehung des Romans und seine Absichten.
5 Sternchen, falls jemand fragt, wie ich das Buch fand.
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